Habe ich geschrieben - freiwillige Aufgabe. Wäre schön, wenn ihr mir eure Gedanken mitteilen würdet - das Thema hieß eben nur: "persönlich gestaltete Abschlussrede".
Wie sie euch gefällt, was euch so in den Sinn kommt - was man vielleicht verbessern könnte an Form, Sprache, Ausdruck... Okay? Wäre sehr lieb von euch!
Dum--di-dum-di-dum – dum--di-dum-di-dum – dum--di-dum-di-dum – dum-di-dum-dum…
Mein Herz schlägt. Der Rhythmus dröhnt in meinen Ohren, Melodien erwachen aus ihrem Schlaf und klagen mir ihr Leid, klagen mich an. Mich, meine Erinnerungen und meine Taten.
Das letzte Mal wird es sein, dass ich hier stehe, hier genau an diesem Ort.
Meine Füße frieren in den Sandalen, beschweren sich über den Herbst im Kalenderfrühling und verwünschen den Teppichboden unter ihren Sohlen, der ein falsches Gefühl von Heimat vermittelt.
Soli deo gloria - die Orgel, die schon lange Zeit ihr verkümmertes Dasein mangels Geld für ihre Reparatur traurig zu verbergen versucht, verkündet über unseren Köpfen eine Botschaft, die ebenso falsch ist.
Wir werden gleich geehrt – wir, die anderen und ich.
Verkleidet und starr stehen wir da, unser Innerstes verborgen, die wahren Gefühle hinter einer Maske versteckt, in das Korsett des guten Benehmens und des Anstandes gestopft, hoffend, so einen würdigen Abschluss zu finden.
In erwartungsvoller Spannung warten sie darauf, den Beweis endlich in der Hand halten zu dürfen, den Beweis, dass sie es geschafft haben.
Später werden ihre Augen strahlen, denn ihr Ziel haben sie erreicht und ihr Leben wird weitergehen, ein neuer Abschnitt wird beginnen und sie werden stolz auf sich sein.
Der Stolz vervielfältigt sich bei einem Blick zu den Eltern, Großeltern, Geschwistern – ja, eine Zeit ist für immer vorbei...
Es geht kein Weg zurück....
Die Lehrer in den vorderen Reihen werden sich freuen, unsere Gesichter nie wieder sehen und unsere Stimmen nie wieder hören zu müssen. Für sie sind wir ein Wegweiser ihrer Arbeit, ein Zeichen des Erfolgs, dass sie wieder ein Jahr hinter sich gebracht haben, eine neue Generation ins Leben gelassen haben...
In ihren Mienen lese ich die Überraschung, wie schnell die Zeit vergeht, dass wir nun hier stehen, wo wir doch eben erst das erste Mal unser Klassenzimmer betreten haben, unschuldig, neugierig, munter... – damals voller Enthusiasmus und Wohlwollen aufgenommen in diese Gemeinde der Schule, damals, als wir noch dachten, es würde alles gut werden.
Weißt Du noch wie es war,
Kinderzeit wunderbar.
Die Welt ist bunt und schön....
Die ersten Schritte als Kind an diesem Ort zeigten mir eine Sicht der Welt, die begleitet war von Illusionen. Die Oberstufenschüler – Riesen, zu denen ich hinaufschaute – ja, die wissen was sie wollen! Ein Appell an meine Unsicherheit und ein sanftes Beruhigen meiner Schüchternheit, denn spätestens in der Oberstufe, da würde ich auch wer sein – mit beiden Beinen fest im Leben stehen, wissen was ich will und tun was ich denke...
Und am Anfang war ich tatsächlich nicht alleine, Freunde und ich, wir waren die Jüngsten und fühlten uns, als wären wir etwas Besonderes. Die Gewissheit, dass die Jahre noch vor uns lagen, in denen unendlich viel Gutes passieren könnte, gab uns Kraft und Stärke.
Waren wir es nicht, die den Pflaumenbaum entdeckten?
Und die Pfennige, die wir bei der Mauer vergruben, die sollten uns Glück bringen – heute, tja, heute gibt es gar keine Pfennige mehr. Abschied von der Deutschen Mark, Abschied von den Pfennigen, Abschied vom Glück?
Bis Du irgendwann begreifst,
dass nicht jeder Abschied heißt,
es gibt auch ein Wiedersehen....
Abschied von Freunden, der begann früh. Ich war doch nur ich – ein Flüstern im Wind, eine verlorene Seele, eine Erinnerung an wenige lustige Tage, schnell ad-acta gelegt. Wozu auch? Es gab genug andere – wer war denn schon ich? Die Querulantin, die ewig Andere, Spielverderberin, Spätentwicklerin...
Später suchte ich Kontakt zu den anderen, die wenigen Neuen in der neu zusammen gesetzten Klasse, die fast nur aus unserer alten bestand – alles Lug und Trug.
Zwischen albernem Lachen und eiskaltem Schweigen verbrachte ich die restlichen Jahre mit ihnen – wir waren eine Gemeinschaft, zusammengefunden in der Not, Vermeidung von Isolation und der Versuch, auf unsere Weise dazuzugehören, Individualisten auf dem Weg zur Kommune, doch die haben wir nie betreten und ja, das war auch gut so.
Doch dort, wo ich war, war ich weit weg von den anderen – die Insel im Meer, wo niemand je hinkam, da ich es meisterlich bewältigte, die Strömung so zu dirigieren, ohne erkennbare Melodie, dass die Boote von dem Ufer abgelenkt wurden.
Meinen Träumen ließ ich Vortritt, den Wünschen und Ideen und dem fliegenden Teppich, der mich von dort wegholen sollte.
Immer vorwärts, Schritt um Schritt,
es gibt kein Weg zurück,
was jetzt ist, wird nie mehr ungeschehen.
Die Zeit läuft uns davon,
was getan ist, ist getan,
was jetzt ist, wird nie mehr so geschehen.
Die letzten Jahre wurden begleitet von dem Echo der Schreie, die im Rauschen des Windes untergingen. Jahre voller Geheimnisse, Lügen und Verleugnungen waren das Material für meine Burg in den Wolken. Die Bühne meiner Fantasie veränderte sich, vom Dickicht hinterm See über die Experimente mit Gedichten an die anderen – hört, was ich zu sagen habe, hört mich doch, nur ein einziges Mal! Ihr dürft mich auch verachten, aber bitte, merkt dass ich da bin... Sie taten es – kurz und heimlich hinter den Mauern, die sie bauten und noch weit hinter meiner Mauer. Ja, einige klopften an, aber nur zaghaft und unbeständig – wussten sie denn nicht, dass sie sie übersteigen müssten?
Es geht kein Weg zurück.
Es geht kein Weg zurück.
Mein Strudel der Fantasie wurde größer, ich wollte sie hineinsaugen, bis sie endlich meine Insel erreichen würden und die Mauern durchbrechen, machtlos, von alleine. Die Boote, die ich für sie mietete, waren von minderer Qualität und ich wusste, dass die Reiseroute fehlerhaft beschrieben worden war. Die Zeichen, die ich ihnen sendete und die Botschaften – ja, die konnten sie nicht lesen, ein Verrat der Kryptologie.
Ich bemerkte ihre Blicke, die zeitweise starr und kalt wirkten, auch wenn mir manche helfen wollten, ich ließ sie nicht. Mein Schauspiel ging weiter, der Vorhang wurde erneut geöffnet und das Bühnenbild wechselte – der nächste Akt – hinein in die Welt, wo jeder anonym ist, wie ich dachte. Schreien nach Freunden durch Zufälle und Missverständnisse.
Ich schrieb ihnen meine falsche Geschichte, wartete dennoch auf echte Zuneigung. Die Mischung daraus wurde ein kurzes Intermezzo mit freundschaftlichen Nachrichten, das in einer Funkstille endete – so waren wir doch alle anders als gedacht.
Doch zuviel ist schon gesagt,
ein Schritt zu weit nach vorn gewagt.
Schon ist es vorbei....
Hier war es, wo ich schließlich meinen Schatz im Regen kennen lernte, begleitet von mysteriösen Situationen und Zufällen, die meine Schicksäle wurden – ich, die Schicksalskönigin.
Dir wollte ich meine Welt zeigen, dich zu meiner Insel führen, ja, wieder trug ich meine Verkleidung, aber das Ziel, das war echt. Ich habe dich hinter die Mauer geführt und dir meine Welt gezeigt, das öde triste Land sowie die Felder der Magie.
Nicht nur meine Mauer haben wir zusammen übertreten, auch eine Schwelle der Erlaubnis, ich wusste das, doch du hast meine Verkleidung akzeptiert, sie nicht durchschaut.
Was auch immer jetzt getan,
was ich gesagt hab, ist gesagt.
Was wie ewig schien, ist schon Vergangenheit....
Wir beide hatten ein Sprachrohr und das war die Wahrheit, verborgen hinter dem Vorhang, aber doch stets präsent – es bestand aus Fantasie und ich habe mir gewünscht, dass sie niemals enden möge.
Du hast mich hoch in die Lüfte gehoben, mir die Wolken gezeigt, die zerplatzenden Luftblasen im Inneren, wenn man lacht und glücklich ist und das Vibrieren der Flugzeuge in den Ohren an einem schönen Sommertag.
Ich wünschte mir, wir würden uns wiedertreffen an einem solchen Tag auf einer Wiese voller Wiesenschaumkraut, den Ruf der Mandelkrähen in unseren Ohren, überwältigt von der Schönheit der Natur und der Bedeutung deines Namens. Weit weg von diesem Ort hier, der uns zusammenführte und verhinderte, dass wir zusammen sein konnten – aber nein, denn wir selbst waren es, die es verhinderten, meine falschen Wahrheiten und Gefühle, die ich alleine hatte und niemals hätte haben dürfen.
Vergangenheit – ja, es ist vorbei.
Immer vorwärts, Schritt um Schritt,
es gibt kein Weg zurück,
was jetzt ist, wird nie mehr ungeschehen.
Die Zeit läuft uns davon,
was getan ist, ist getan,
was jetzt ist, wird nie mehr so geschehen.
Du hättest hier sein sollen heute – unsere Blicke hätten sich getroffen und vielleicht hättest du dann gewusst, wer ich bin. Doch jetzt – jetzt ist alles verloren.
Du bist verschwunden, einfach so, hast meine Insel verlassen und den Schlüssel der Pforte mitgenommen, um ihn wegzuschmeißen und niemals mehr zurückzukehren. Heimlich in der Nacht hast du dich davongemacht und mich inmitten des Gewitters alleine gelassen – weißt du, ich habe Angst vor Gewitter, wenn ich draußen bin... Zurückgezogen habe ich mich, getan, was ich tun musste, aber niemals mit Leidenschaft und niemals fröhlich.