Hi!
Ich soll bis nächste Woche eine frühere mündliche Abiturprüfung vorbereiten und dann in 15 Minuten mündlich darlegen. Habt ihr vielleicht irgendweche Ideen, Tipps und vielleicht eine Idee in welchem Jahrgang/Bundesland diese Aufgabe dran kam?
Friedrich Schiller: Was kann eine gute stehende Schaubühne eigentlich wirken?
(Auszug)
Die Gerichtsbarkeit der Bühne fängt an, wo das Gebiet der weltlichen Gesetze sich endigt. Wenn die Gerechtigkeit für Gold erblindet, und im Solde der Laster schwelgt, wenn die Frevel der Mächtigen ihrer Ohnmacht spotten, und Menschenfurcht den Arm der Obrigkeit bindet, übernimmt die Schaubühne Schwert und Waage, und reißt die Laster vor einen schrecklichen Richterstuhl. [...] Wenn keine Moral mehr gelehrt wird, keine Religion mehr Glauben findet, wenn kein Gesetz mehr vorhanden ist, wird uns Medea noch anschauern, wenn sie die Treppen des Palastes herunter wankt, und der Kindermord jetzt geschehen ist. Heilsame Schauer werden die Menschheit ergreifen, und in der Stille wird jeder sein gutes Gewissen preisen, wenn Lady Macbeth, eine schreckliche Nachtwandlerin, ihre Hände wäscht, und alle Wohlgerüche Arabiens herbeiruft, den hässlichen Mordgeruch zu vertilgen. So gewiss sichtbare Darstellung mächtiger wirkt, als toter Buchstabe und kalte Erzählung, so gewiss wirkt die Schaubühne tiefer und dauernder als Moral und Gesetze. [...]
Unmöglich kann ich hier den großen Einfluss übergehen, den eine gute stehende Bühne auf den Geist der Nation haben würde. [...]
[...] so empfängt uns die Bühne - in dieser künstlichen Welt träumen wir die wirkliche hinweg, wir werden uns selbst wieder gegeben, unsre Empfindung erwacht, heilsame Leidenschaften erschüttern unsre schlummernde Natur, und treiben das Blut in frischeren Wallungen. Der Unglückliche weint hier mit fremdem Kummer seinen eigenen aus, - der Glückliche wird nüchtern, und der Sichere besorgt. Der empfindsame Weichling härtet sich zum Manne, der rohe Unmensch fängt hier zum ersten Mal zu empfinden an. Und dann endlich - welch ein Triumph für dich, Natur - so oft zu Boden getretene, so oft wieder auferstehende Natur - wenn Menschen aus allen Kreisen und Zonen und Ständen, abgeworfen jede Fessel der Künstelei und der Mode, herausgerissen aus jedem Drange des Schicksals, durch eine allwebende Sympathie verbrüdert, in ein Geschlecht wieder aufgelöst, ihrer selbst und der Welt vergessen, und ihrem himmlischen Ursprung sich nähern. Jeder Einzelne genießt die Entzückungen aller, die verstärkt und verschönert aus hundert Augen auf ihn zurück fallen, und seine Brust gibt jetzt nur einer Empfindung Raum - es ist diese: Ein Mensch zu sein.
Aufgabe
Legen Sie, ausgehend von dem vorgegebenen Textauszug, die Aufgaben und Wirkungsmöglichkeiten, die Schiller für die "Schaubühne" sieht, dar. Gehen Sie dabei auf Grenzen und Probleme der Schillerschen Auffassung ein.
Belegen Sie an ausgewählten Aspekten, inwiefern man die von Schiller geäußerten Auffassungen als epochenübergreifend bezeichnen kann.