Hi Sue771!
Ich muss ehrlich sagen, ich habe selten so einen weit hergeholten, zusammengewürfelten und frei assoziierten Unsinn gelesen.
Du kannst keine Erörterung schreiben, wenn du den Text vorher nicht analysiert hast. Worum geht es eigentlich bei einer Analyse? Es geht darum, dass der Text, den du bekommen hast, nicht vom Himmel gefallen ist, sondern dass ihn ein bestimmter Mensch zu einer bestimmten Zeit, bei einer bestimmten Gelegenheit, mit einer bestimmten Absicht an einen bestimmten Adressaten geschrieben hat. Und diese Umstände musst du erst mal klären und herausarbeiten.
Wo kommt der Text denn überhaupt her? Es ist ein Zitat aus der Novelle "Am Kamin", entstanden 1861. In dieser werden in einem kleinen bürgerlichen Kreise Spuk- und Gespenstergeschichten erzählt. Am Ende heißt es dann:
Zitat
"Pfui! Wer befreit mich von diesem Schauder?"
"Schauder? Du sprichst ja wie ein moderner Literarhistoriker."
"Ich? Weshalb?"
"Weil du in dem Grauen nur die Gänsehaut siehst."
"Nun, und was wäre es denn anders?"
"Was es anders wäre? - Wenn wir uns recht besinnen, so lebt doch die Menschenkreatur, jede für sich, in fürchterlicher Einsamkeit; ein verlorener Punkt in dem unermessenen und unverstandenen Raum. Wir vergessen es; aber mitunter dem Unbegreiflichen und Ungeheuren gegenüber befällt uns plötzlich das Gefühl davon; und das, dächte ich, wäre etwas von dem, was wir Grauen zu nennen pflegen."
"Unsinn! Grauen ist, wenn einem nachts ein Eimer mit Gründlingen ins Bett geschüttet wird; das hab ich schon gewußt, als meine Schuhe noch drei Heller kosteten."
"Hast recht, Klärchen! Oder wenn man abends vorm Schlafengehen unter alle Betten und Kommoden leuchtet, und ich weiß eine, die das sehr eifrig ins Werk setzen wird. Es könnte sogar sehr bald geschehen, denn es ist spät, meine Herrschaften; Bürger-Bettzeit, wie ich fast in dieser auserwählten Gesellschaft gesagt hätte."
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Wenn du das Zitat gefunden hast, dann weißt du ja jetzt, wie es richtig heißt (ich hoffe, du hattest es nicht falsch abgeschrieben). Dann schaut man sich mal den Kontext an, in den es eingebettet ist. Es gibt anscheinend einen Streitpunkt um das richtige Verständnis des Begriffs "Grauen". Und dann fangen wir doch wohl nicht mit Immensee an (1849), sondern mit der Novelle "Am Kamin" und Storms Interesse an Spukgeschichten.
Wer war überhaupt Storm? Ich meine, es macht doch einen Unterschied aus, ob mir dieses Zitat von einem Pfarrer in der Kirche vorgetragen wird oder von einem Atheisten, der zeitlebens mit der Kirche nichts zu tun haben wollte und verfügt hat, ohne Pfarrer beerdigt werden zu wollen. Wie geht so ein Mensch mit Jenseitsvorstellungen um (gibt es noch einen anderen Raum, welches wäre denn der "richtig verstandene Raum"?)? Wie mit dem Todesgedanken (insbesondere nach dem Tod seiner ersten Frau und seines ersten Sohnes). Was versteht er unter Schuld? Gibt es für den Menschen seiner Ansicht nach wirklich nur Alleinsein oder ist da noch etwas anderes? Was gibt ihm Halt? Und wo findet sich das sonst noch in seiner Dichtung?
Also wirklich ein weites Feld (um es mit Fontane zu sagen), das du nicht einmal im Ansatz getroffen hast.
Ich würde dir dringend empfehlen, deine Erörterung noch einmal komplett neu zu schreiben.