Lit. Erörterung zu Zitat von Th. Storm

  • Hallo,


    ich soll zu folgendem Zitat von Theodor Storm eine literarische Erörterung schreiben: "Wenn wir uns recht besinnen, so lebt doch die Menschenkreatur, jede für sich, in fürchterlicher Einsamkeit; ein verlorener Punkt in dem unermessenen Raum.". Im Folgenden meine erste lit. Erörterung. Vielleicht gebt ihr mir einige Tipps, wie ich das anders machen muss oder was noch fehlt... Danke für eure Hilfe. Lg, Sue



    So oft in literarischen Werken die Motive der Liebe und das der Verführung des Menschen verwendet werden, so übten und üben ebenso noch gegenwärtig in ihren Texten und Geschichten Kritik an der zu dieser Zeit bestehenden Gesellschaft mit den Regeln und Normen. Ein führender Literatur-Vertreter des Realismus, Theodor Storm, der das letztgenannte Motiv in zahlreichen Romanen und Novellen verarbeitete, vertrat die Lebensphilosophie, dass der Mensch allein in fürchterlicher Einsamkeit lebt als auch ein verlorener Punkt in dem unermessenen Raum sei. Dieses Denken als auch die Verarbeitung von Gesellschaftskritik werde ich an mehreren Werken des Realismus anhand von Figurencharakteristiken und -konstellationen nachweisen.


    Ersetzt man die Schlüsselwörter „verlorener Punkt“ und „unermessenen Raum“ durch Konnotationen, so würde ich den Menschen als ein sich selbst überlassener Teil in einem allumfassenden, nicht für den menschlichen Verstand fassbaren Ganzen (der Welt) sehen, welcher in Eigenverantwortlichkeit handelt, sowohl aber auch in erschütternder, innerer Isolation vor sich hin vegetiert. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob Zweisamkeit die innere Einsamkeit und das Verlorensein in der Welt eines jeden Menschen überwinden kann? In Storms Novelle „Immensee“ wird meines Erachtens deutlich, dass der Mensch versucht ist, seine Einsamkeit zu überwinden, indem er Gleichgesinnte und Menschen mit gleichen Lebensphilosophien bestrebt ist, zu finden. Der Autor des Werkes beschreibt in der Binnenhandlung zunächst die Kindheit der beiden Protagonisten Reinhard und Elisabeth, in der eine Entwicklung von Freundschaft zu einer Kindheitsliebe nachzuvollziehen ist. Elisabeth, geprägt durch die Strenge ihrer Mutter, welche den damaligen Normen der Klassengesellschaft verhaftet ist, findet in Reinhard zunächst einen Gleichgesinnten. Beide Haupthandlungsträger haben zum Beispiel eine Vorliebe für Gedichte. Die Szene der Erdbeerensuche charakterisiert auf den zweiten Blick auch das Einandernäherkommen; aus den zwei „vorlorenen Punkten“ Reinhard und Elisabeth soll eine Vereinigung entstehen. Nachdem Storm diese Verschmelzung der beiden Charaktere realisiert, folgt eine Trennung: Reinhard studiert, widmet seiner einstigen Kindheitsliebe weniger Zeit. Elisabeth, die sich nicht nur gehorsam den Regeln ihrer Mutter beugt, sondern auch der Vorstellung einer sittlichen Dame im 19. Jahrhundert anpasst, wird auf Wunsch der Mutter mit dem erfolgreichen Erich verheiratet. Das Motiv der „fürchterlichen“, sogar fast schmerzlichen Einsamkeit stellt Fontane dabei besonders heraus, indem dieser Reinhards Denk- und Wandlungsprozess eindeutig darstellt. Während seiner Studienzeit wird Reinhard das Zerbrechen des einstigen Kinderglückes bewusst, indem dieser über sein Verhalten hinsichtlich der Vernachlässigung Elisabeths nachdenkt. Die in Kindheitstagen gespürte Verbundenheit ist verschwunden, was auf die Vergänglichkeit von Zweisamkeit hindeutet und folglich tritt eine kalte Vereinsamung ein. Eine gemeinsame Ebene der Liebe findet auch Elisabeth mit ihrem Mann Erich nicht. Die Protagonistin, die sich den gesellschaftlichen Normen, aber auch dem Denken der Mutter nach wirtschaftlicher Sicherheit und sozialen Anerkennen unter Verzicht auf ihr eigenes Glück, ihre Selbstbestimmung beugt, findet in Erich keinen Seelenverwandten. Die vordergründig bestehende Zweisamkeit stürzt Elisabeth in eine fürchterliche Einsamkeit. Um sie herum sind Menschen, die sie lieben, aber aufgrund fehlender Verbundenheit, wird sie als isoliert, verloren charakterisiert. Bei einem Besuch Reinhards am Immensee, wo das Paar wohnt, drückt dieser seine tiefe Zuneigung für Elisabeth in mehreren Hinsichten aus. Storm verwendet diesbezüglich Symbole, wie die Wasserlilie, die Reinhard „einmal gekannt hatte“. Gemeint ist damit seine Kindheitsliebe, die durch die Konvektionsehe eine Veränderung von einem temperamentvollen, lebensfrohen Mädchen zu einer in ihrer eigenen Welt lebenden Frau geworden verändert hat. Wie sehr sie sich diesem Leben angepasst hat, zeigt das Angebot Reinhards, Elisabeth solle sich von ihrem bisherigen Leben lösen und mit ihm gehen, einen gemeinsamen Lebensweg einschlagen. Ihre Ablehnung bestätigt die ihr anerzogene Gehorsamkeit gegenüber den Sitten als auch der Treue gegenüber ihrem Mann. In der Konsequenz gehen die beiden Protagonisten ihren eigenen Weg; das Kinderglück ist bereits weit entfernt und die individuell-erfahrene innere Einsamkeit innerhalb der Welt nimmt ihren Lauf.


    Das Gesellschaftsbild des 19. Jahrhunderts in Deutschland war vor allem durch keine hohe soziale Mobilität gekennzeichnet. Zudem gab es zwar eine Emanzipationsbewegung der Frauen, dennoch war das Gesellschaftsbild einer sittlichen, gehorsamen Frau vorherrschend. Die Erziehung der Töchter wurde von kleinauf auf das Einheiraten in ein wohlhabendes und angesehenes Haus ausgerichtet. Theodor Fontane beschäftigte sich mit gerade diesem Missverhältnis von der weiblichen Selbstbestimmung über eigenes Glück und der Anpassung an gesellschaftliche Zwänge. An seinem Gedicht „Und alles ohne Liebe“ beschreibt er den Vorgang der Zwangsheirat bis hin zum Hinnehmen der negativen Eigenschaften, wie Trunkenheit, des geheirateten Gatten. Die Grundsätze der Klassengesellschaft für weibliche Verhaltensweisen werden bei diesem Beispiel in den ersten Versen repräsentiert: „Die Mutter spricht: ‚Lieb Else, mein’, / wozu dies Grämen und Härmen? / Man lebt sich ineinander ein, / auch ohne viel zu schwärmen.“. Fontane versuchte die Unmenschlichkeit der gesellschaftlichen Normen und die daraus meist resultierende Einsamkeit jedes Individuums in seinem Roman „Irrungen, Wirrungen“ dem Publikum nahe zu bringen. Der Titel seines voran genannten Gedichts kommt bei diesem Werk nämlich eine wichtige Bedeutung zu. Die bürgerliche Wäscherfrau Lene (Magdalena) Nimptsch und der mit finanziellen Problemen charakterisierte Baron Botho von Rienäcker fühlen einander verbunden, weil sie beide die Einfachheit, Wahrheit am Gegenüber schätzen. Die Beziehung, von der Lene bereits weiß, dass sie dem Ende zugeneigt ist, weil die Gesellschaft es vorschreibt, ist charakterisiert von einer Seelenverwandtschaft bezüglich der Interessen, der Vorstellungen über Zukunft, der Idee, wie die Gesellschaft besser funktioniere. Botho stellt in Fontanes Roman das Bindeglied zwischen der bürgerlichen und der adligen Klasse her. Beide Protagonisten, sowohl Lene als auch Bodo, werden von ihrem Umfeld stark beeinflusst: der Frau Dörr, Lenes Adoptivmutter Frau Nimptsch, Bothos Onkel und Mutter. Der Ausspruch von Bothos Onkel, Macht gehe vor Recht, gibt einen Hinweis auf die weitere Entwicklung der Geschichte. Macht, damit ist in diesem Zusammenhang die finanzielle bzw. adlige gemeint habe sei dem Recht, bspw. auf wahre Liebe, vorrangig. Botho heiratet somit seine vermögende Cousine Käthe von Sellenthin, die er sein ganzes Leben nicht lieben lernt. Umgeben von Menschen adliger Herkunft fühlt er sich einsam. Die oberflächliche Betrachtungsweise des bürgerlichen Volkes missfällt ihm und seine Liebe zur bürgerlichen Lene bleibt. Andererseits wird auch Lene mit dem Fabrikanten Gideon Franke verheiratet. Magdalena für ihren Teil liebt insgeheim immer noch „ihren einzigen Botho“. Meines Erachtens liegt der Hauptblickpunkt hier auf dem weniger beachteten Fakt, dass auch Männer der Klassengesellschaft anerzogen wurde, sich eine gut, im Sinne von reich, zu verheiraten. Ebenfalls spiegelt sich in diesem Roman auch die Tatsache wider, dass derjenige, welcher sich in Bürgerliche verliebte, im Ansehen sanken; ja fast auf die gleiche Stufe hinabgesetzt worden sind. Die beiden einsamen, winzigen Punkte – die beiden Protagonisten – leben ihr Leben in einer Welt, zusammen mit Partnern, die sie nicht lieben und eher ein Verlorensein hervorrufen.
    Dass fürchterliche Einsamkeit auch zu Verzweiflung führt, verarbeitet Theodor Fontane ebenfalls in seinem Roman „Effi Briest“. Zu einer Zwangsheirat von den Eltern gedrungen, muss die anfangs noch lebensfrohe Effi den viele Jahre älteren, aber hoch angesehenen Innstetten ehelichen. Der Umzug nach Kessin und die Vernachlässigung des Mannes, den die junge Frau nicht liebt, tragen einen Teil zu ihrer Vereinsamung bei. Ihre Ängste, im Haus spuke es, nimmt Innstetten nicht wahr; er ignoriert es. Die erwünschte Sehnsucht führt bei dem Hauptcharakter Effi zu einer Intensivierung des Gefühls, verloren und vollkommen allein zu sein. Einzig mit Crampas, mit dem sie durch intensive Gespräche eine Seelenverwandtschaft erkennt, schwächen das Gefühl des Nicht-Geliebt-Werdens und des Verlorenseins ab. Obwohl diese Bekanntschaft vergeht, findet Innstetten Jahre später Liebesbriefe, fordert Crampas zum Duell auf, das letzterer nicht überlebt. Durch die Regeln und Normen der Gesellschaft wird Effi geschieden und auch ihr Kind, das sich immer mehr von ihr entfremdet, darf sie nicht sehen. Ebenfalls konnte sie nach dem Fauxpas nicht in die elterlichen Hände nach Hohen-Cremmen zurückkehren, weil es verboten war. So trieb sie die Einsamkeit in die Verzweiflung, die letztlich den Tod als Erlösung in sich barg.


    Heutzutage leben wir in einer Schichtungsgesellschaft und unterliegen weit weniger strengen Regeln als die handelnden Personen, welche die Autoren Storm und Fontane als Grundlage für ihre Werke verwendeten. Storms Zitat, jeder Mensch lebe in einer fürchterlichen Einsamkeit, ist sicherlich heute wie damals nicht auf jeden Menschen anzuwenden, so glaube ich.

  • Hi Sue771!


    Ich muss ehrlich sagen, ich habe selten so einen weit hergeholten, zusammengewürfelten und frei assoziierten Unsinn gelesen.


    Du kannst keine Erörterung schreiben, wenn du den Text vorher nicht analysiert hast. Worum geht es eigentlich bei einer Analyse? Es geht darum, dass der Text, den du bekommen hast, nicht vom Himmel gefallen ist, sondern dass ihn ein bestimmter Mensch zu einer bestimmten Zeit, bei einer bestimmten Gelegenheit, mit einer bestimmten Absicht an einen bestimmten Adressaten geschrieben hat. Und diese Umstände musst du erst mal klären und herausarbeiten.


    Wo kommt der Text denn überhaupt her? Es ist ein Zitat aus der Novelle "Am Kamin", entstanden 1861. In dieser werden in einem kleinen bürgerlichen Kreise Spuk- und Gespenstergeschichten erzählt. Am Ende heißt es dann:



    Wenn du das Zitat gefunden hast, dann weißt du ja jetzt, wie es richtig heißt (ich hoffe, du hattest es nicht falsch abgeschrieben). Dann schaut man sich mal den Kontext an, in den es eingebettet ist. Es gibt anscheinend einen Streitpunkt um das richtige Verständnis des Begriffs "Grauen". Und dann fangen wir doch wohl nicht mit Immensee an (1849), sondern mit der Novelle "Am Kamin" und Storms Interesse an Spukgeschichten.


    Wer war überhaupt Storm? Ich meine, es macht doch einen Unterschied aus, ob mir dieses Zitat von einem Pfarrer in der Kirche vorgetragen wird oder von einem Atheisten, der zeitlebens mit der Kirche nichts zu tun haben wollte und verfügt hat, ohne Pfarrer beerdigt werden zu wollen. Wie geht so ein Mensch mit Jenseitsvorstellungen um (gibt es noch einen anderen Raum, welches wäre denn der "richtig verstandene Raum"?)? Wie mit dem Todesgedanken (insbesondere nach dem Tod seiner ersten Frau und seines ersten Sohnes). Was versteht er unter Schuld? Gibt es für den Menschen seiner Ansicht nach wirklich nur Alleinsein oder ist da noch etwas anderes? Was gibt ihm Halt? Und wo findet sich das sonst noch in seiner Dichtung?


    Also wirklich ein weites Feld (um es mit Fontane zu sagen), das du nicht einmal im Ansatz getroffen hast.


    Ich würde dir dringend empfehlen, deine Erörterung noch einmal komplett neu zu schreiben.