Gedichtsinterpretation bitte um Hilfe

  • Hey ihr,


    Ich habe ein großes Problem..ich muss bis Morgen ein Gedicht interpretieren, jedoch verstehe ich den Inhalt bzw den Sinn des Textes nicht wircklich....Ich habe es lange versucht jedoch kam nur schwachsinniges raus..Ich hoffe ihr könnt mir ein paar Ansatzpunkte geben..wäre echt nett...hier ist das Gedicht:


    Früher war hier ein Fluß,
    wo jetzt nur noch Bämke sind und Pflastersteine.
    Wenn es stimmt,was die Alten sagen,
    gibts´s unter der Stadt über ein Dutzend Flüsse.
    Jetzt ist hier ein Platz in einem Arbeitsviertel
    mit drei Pappeln als einzigem Hinweis,
    daß der Fluss noch da ist.


    Wir alle bergen einen Fluß,
    den´s über die Ufer drängt.
    Wenn es nicht Ängste sind, ist es Reue,
    wenn nicht Zweifel dann Ohnmacht.


    Der Westwind peitscht die Pappeln
    Die Leute kommen kaum voran.
    Im vierten Stock wirft eine alte Frau
    Kleidung aus dem Fenster:
    ein schwarzes Hemd und einen karierten Rock,
    ein gelbes Seidentuch,ein paar Strümpfe
    und die schwarzweißen Lackschuhe,
    die sie an jenem Wintertag trug, als sie vom Dorf kam.
    Ihre Füße im Schnee waren wie eisige Kiebitze(Vogelart)


    Die Kinder kommen heraus und laufen der Wäsche nach.
    Schließlich wirft sie ihr Hochzeitskleid,
    das plump auf einr Pappel landet,
    als wäre es ein großer Vogel.


    Plötzlich ein lauer Knall, die Passanten erschrecken.
    Der Wind hat eine der Pappeln aus dem Boden gerissen.
    Die Wurzeln des Baumes sind wie die Hand einer alten Frau,
    die sehnsüchtig wartet,daß eine andre Hand sie streichelt.


    Ich bitte um schnelle Antwort, da ich wie erwähnt morgen fertig sein muss.


    Danke schon im Vorraus =)

  • Also ich kann dir mal ein paar Hinweise geben:
    Zur Systematik der Interpretation:


    1.1. Wie ist das Gedicht aufgebaut? Art der Reime, Takt, ..
    1.2. Ist es regelmässig, gibt es wiederholende Konsonanten und Vokale, die ein Gefühl wecken sollen? ..
    1.3. Welche Emotionen werden beim lesen geweckt? (teilweise schwierig)


    2.1. Suche Prägnante Merkmale heraus.
    2.2. Interpretiere ihre Bedeutung und Merkmale, bediene dich dabei auch herkömmlicher Bezüge.
    2.3. Stelle die Aussage fest.


    Eine persönliche Interpretation (Kurzfassung zur Erklärung des Vorganges):


    1.1. Dies kannst du mit dem was du in der Schule gelernt hast herleiten. Wenn ihr dazu nichts hattet, dann lass es weg.
    1.2. Das Gedicht enthält mehrere Aufzählungen. Ich stelle fest, dass viele Sätze mit dem Subjekt beginnen, das dem Gedicht eine Ruhe verleiht.
    1.3. Insgesamt wirkt es auf mich beruhigend. Es ist ein pessimistisches, trauriges Gedicht.


    2.1. Ich habe die Abschnitte erstmal Nummeriert, da sie verschiedene Dinge ausdrücken.
    2.1.1. Fluss: Der Fluss, der nicht mehr da ist, wo er mal war, bzw. unter dem Pflasterstein verläuft. Der Fluss steht für Leben, die fliessende Zeit und deren unwiederruflichen Fortgang. Er wurde zugedeckt, wie auch das rauschende Leben in der Stadt betäubt wurde. Da stehen nur noch Bänke und Pflastersteine. Bänke symbolisieren die Rast, Beine, die zu schwach geworden sind, einen fort zu tragen, den Versuch die Zeit anzuhalten (im Gegensatz zum Fluss), vlt. auch Langeweile. Pflastersteine stehen für harte, kalte, tote Sachen, sie sind auch als Waffe geeignet um gegen den Staat zu rebellieren (was hier wohl eher gegen das Leben gerichtet ist. Nur die Alten erinnern sich an die früheren Zeiten, wo alles mit Sicherheit besser war. Sie sind verblasst.
    Drei alte Pappeln erinnern noch an den ehemaligen Zustand. Schau sie dir an und interpretiere ihre Bedeutung selbst. Grob eingeschätzt erinnern sie mich an langlebige, langsame Speichermedien, die auch nach hunderten von Jahren von alten Zeiten erzählen. Ihre kahle und langgezogene Art wirkt trist.
    2.1.2. Mache einen Bezug zwischen einer menschlichen Emotion und dem überschwemmenden Fluss. Es geht um Verzweiflung, asthenische Reaktionen .
    2.1.3 Der erste Teil des dritten Abschnittes ist leicht zu interpretieren. Beachte dabei aber die Details.
    Beim zweiten Teil werden vor allem Kleidungsstücke aufgezählt, die die Frau aus dem Fenster wirft. Kleidung aus dem Fenster zu werfen hat mir dem Abstreifen einer alten Identität, aber auch die Suche nach einer neuen zu tun. Die Kleidung an sich zu deuten wird vor mit ihrer Farbe und in dem Kontext stehen, in dem sie getragen werden. Als Fashion-Muffel bin ich da kein Experte. Dafür kann ich dir mit dem nackten Füssen im Schnee helfen.
    a) nackte Füsse bedeuten Hilflosigkeit, Kampfgeist, Robustheit, Zierlichkeit, Fragilität.
    b) Der Schnee droht die Füsse zu erfrieren. Er ist in diesem Zusammenhang bedrohlich, aber auch bestechend schön. Er Zeugt von Bedrohung und Ästetik.
    c) Der Kiebitz ist ein auffälliges und seltenes Tier. Man sieht ihn etwa so oft, wie eine Frau, die mit nackten Füssen mitten in der Stadt im Schnee steht.
    2.1.4
    Der vierte Abschnitt ist wieder leicht. Spielende Kinder sind die Verkörperung der Lebensfreude, die hier neu erwacht bzw. stets noch vorhanden ist. Das Hochzeitskleid hat mit dem Traum der ewigen Liebe zu tun, mit romantischen Vorstellungen und idyllischen Wünschen (Auf ewig erhaltene Friede, Freude, Eierkuchen). Es aus dem Fenster zu werfen symbolisiert die Aufgabe dieser Gedanken. Die pessimistische Entdeckung der Rationalität. Der grosse Vogel, der sich unbeholfen im Baum verfallen hat ist wie die entblösste Naivität eben genannter märchenhafter Vorstellungen, die hier am Pranger hängt.
    2.1.5
    Den letzten Absatz überlasse ich nochmal dir. Interpretiere bei Unsicherheit jedes Wort und weiche den Abschweifungen nicht aus.
    2.2. Ich habe die herausgepickten Merkmale bereits diskutiert.
    2.3. Wie das erste Gefühl, das ich im Punkt 1.3. beschrieben habe, geht es um Ohnmacht über die Gesamtsituation, Trauer über den gegenwärtigen Zustand, Wut über das Geschehene und Furcht vor der Zukunft. Ganz offensichtlich versucht eine alte Frau den Neubeginn und Anschluss in der Gesellschaft, die sie in ihrer modernen Form verabscheut. Sie versucht ihrem Unmut Luft zu machen. Angesprochen sind auch Themen wie Einsamkeit im Alter, das Erfordernis der ständigen aktiven Anpasung usw.


    Dazu fällt mir ein Leitspruch ein, der meiner Meinung nach hervorragend zum Gedicht passt: "Tempora mutantur, nos et mutamur in illis"


    Beachte: Auslegungen von Gedichte sind sehr individuell. Es gibt kaum ein richtig oder falsch, da mit der Deutung des in Metaphern verfassten Textes primär eigene aus persönlichen Erfahrungen stammende Bezüge provoziert werden. Allerdings gibt es auch bestimmte Dinge, die uns der Verfasser mit seinen Worten suggerieren will.